Sonntag, 10. Juni 2018

Weites Land und enge Blickwinkel

Auf dem Papier spricht die Statistik eine deutliche Sprache:

70% der Landfläche Südafrikas ist im Besitz der 10% Weißen. Die ungleiche Verteilung hat einen langen geschichtlichen Hintergrund, von der friedlichen Besiedlung weißer Einwanderer im 17. Jahrhunder bis hin zu manchen Enteignungen in den Jahrzehnten der Apartheid. Ein Problem, das das Land tief spaltet und in dem man sich, so wie der die politische Spitze des ANC zur Zeit, nur schwer des Reflexes entziehen kann, der wohlhabenden Minderheit schlicht und einfach das Land weg zu nehmen. Ohne Entschädigungszahlungen.

Am vergangenen Wochenende besuchten wir eine solche Farmfamilie. Die Talandas sind deutstämmg, ihre Vorfahren sind 1853 als lutherische Missionare aus Hermannsburg nach Südafrika gekommen. Ihre zwei Jungs (Kai, 9 Jahre und Alex 6 Jahre) besuchen mit unseren Kindern die Grundschule.
Nicola Talanda blickt in die Weite
30km hinter Dundee bogen wir  auf dem Weg zu ihnen von der Asphaltsstraße ab. Mehr als 20 weitere Kilometer fuhren wir auf unbefestigten Straßen, hinter uns eine große Staubwolke ziehend auf ein einsames Haus am Fuße eines Hügels zu.
Die elektrische Versorgung der Farm kommt ausschließlich von Solarzellen und Generatoren. Das Gelände umfasst weites trockenes Land, an dem einige Wasserstellen gegraben wurden und auch einen Berg. Johann Talanda, der Vater von Kai und Alex sagt, seine Farm ist sehr klein. "Nur" 450ha (der Durchschnittsbauernhof in NRW hat eine Größe von 41ha), 110 ha sind mit Mais bewirtschaftet, als Futter für die gut 400 Rinder. Eine kleine Schafherde, einige Schweine, Hühner, Pferde und Limonenbäume komplettieren das Bild, ebenso wie die Hütten der Arbeiter, in den einige Zulu Familien leben. Geerntet wird nur einmal pro Jahr, weil das Wasser knapp ist und die langen Trockenphasen zwar gut sind um den Mais noch auf dem Feld zu trocknen, aber einen weiteren Anbau trotz guter Temperaturen im Winter unmöglich machen.

So reicht das geerntete Futter nicht, um die Rinder zu versorgen, es muss zugekauft werden und der größte Teil des Profit verschwindet wider. Halten können die Talandas den Bauernhof nur, weil er als Ingieneur einem Beruf nachgeht und mehrere Monate des Jahres u.a. in Deutschland ist, zur Inbetriebnahme von Fabriken und neuen Maschinen.

Investitionen in die Farm, in neue Maschinen und Bewässerung sind ein hohes Risiko, denn die politische Lage, die mit den Traum vieler Armer spielt, reich zu werden, wenn sie nur auch so eine Farm hätten, verunsichert.
Trotzdem versuchen die Talandas weiter Land hinzuzukaufen, um eine betriebswirtschaftliche Größe zu erreichen.
Sicher könnten die Talandas die Farm auch einfach aufgeben, vom Ingieneursgehalt leben und in ein Haus ziehen, das nicht 40-50 Fahrminuten von der nächsten Schule oder dem nächsten Geschäft entfernt ist. Doch bei unserem Besuch verstanden wir, warum sie dieses Leben wählen.
Für unsere Kinder war es ein Erlebnis, das jeden Freizeitpark übertraf. Sie schossen mit dem Luftgewehr auf Plastikflaschen, fuhren mit der Kutsche, kletterten hoch auf den Silo-Behälter und rasten hinter Kai und Alex auf den Quads über die Farmwege. Sie fütterten zwei Lämmchen, die ihre Mutter verloren hatten, mit der Flasche und ließen sich auf der Ladefläche des Geländewagens den Hausberg hinaufschütteln.

 So erweitete sich mit der Erfahrung auf diesem weiten Farmgelände, auch unser Blick auf die Lebensumstände in diesem Land. Welch eine Erfahrung.

P.S.: Erfreulicherweise hat gerade in den letzten Tagen der neue Präsident Südafrikas, Cyril Ramophosa in einer Rede versichert, keine bewirtschafteten Flächen und Betriebe zu enteignen sondern nur brachliegende Ländereien in die Hand der armen Schwarzen Bevölkerung zu geben. Vielleicht können die Talandas so auch weiterhin ihren persönlichen Traum vom Leben verwirklichen....


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